Am 01. Mai gab’s vom kju_point eine Redebeitrag zum Thema Queer_feminismus und Arbeiter*innenkämpfe: Damit wir Kämpfe verbinden, die verbunden gehören!
Liebe Kolleg*innen, liebe Freund*innen, liebe Genoss*innen,
ich bin Hannah und spreche heute für das queerfeministische Kollektiv Kju_point. Für einige von euch ist wahrscheinlich klar, warum ich hier spreche, andere fragen sich vielleicht, was Queerfeminismus mit dem 1. Mai zu tun hat? Genau über diese Frage möchte ich heute sprechen, damit wir Kämpfe verbinden, die verbunden gehören.
Wir als queere Menschen sind leider auch dem Kapitalismus unterworfen. Wir sind alle in verschiedenen Arten und Weisen von Lohnarbeit und kapitalistischen Systemem´n abhängig. Themen wie Arbeitsbedingungen, soziale Gerechtigkeit und Ausbeutung betreffen uns zwar auf unterschiedliche Art und Weise, aber sie betreffen uns alle, ob queer oder nicht. Schon deshalb gehören wir heute auf die Straße.
Der Queerfeminismus als theoretische Strömung innerhalb des Feminismus hilft uns zu verstehen, warum wir als queere Menschen besonders in die Arbeiter*innenbewegung gehören. Lohnarbeit und die Arbeitsbedigungen in dieser sind immer auch an der Kategorie “Geschlecht” ausgerichtet. Als queere Menschen haben wir eine Sonderposition im Kapitalismus und um die soll es heute gehen.
Neben der Lohnarbeit müssen wir auch Reproduktionsarbeit leisten. Das heißt beispielsweise, uns von den Strapazen des Arbeitstags erholen und uns ausruhen. Damit wir uns erhohlen können, braucht es aber auch Arbeit, beispielsweise muss Essen eingekauft, die Wohnung geputzt und Kinder versorgt werden. Ein Teil dieser Reproduktionsarbeit ist die sogenannte Sorgearbeit. Einige Teile der Sorgearbeit wurden bereits in Lohnarbeitsverhältnisse überführt, man denke an Pflegeheime, Kinderbetreuung oder Psychotherapie. Die Berufe, die sich mit Sorgearbeit befassen, sind meist unglaublich schlecht bezahlt, haben schlechte Arbeitsbedingungen und sind chronisch unterversorgt. Es ist dabei kein Zufall, dass solche Berufe, zum Beispiel Pflegeberufe oder Kindergärtner*innen, meist als “nicht-männliche” Berufe gelten. Oftmals arbeiten FLINTA*- Personen (also Frauen, Lesben, Inter, Nicht- binäre und Trans Personen) überproportional viel in solchen Berufen. Wenn es also um Arbeitsbedingungen in der Pflege oder um bessere Bezahlung von Sozialer Arbeit geht, dann geht es immer auch darum, Geschlechtermachtverhältnisse zu thematisieren und abzuschaffen.
Solidarität mit Arbeiter*innen in der Sorgearbeit heißt Solidarität mit queeren Kämpfen und umgekehrt!
Der andere Teil der Sorgearbeit passiert im Privaten. Emotionale Sorgearbeit wird ebenfalls häufig von FLINTA* Personen übernommen. Bei Liebeskummer, psychischen Problemen, Alltagsstruggle zu helfen und da zu sein ist emotionale Sorgearbeit. Sie ist zwar unheimlich wichtig, aber kann auch Kraft und Energie ziehen. Wir kämpfen nicht nur Seit’ an Seit’, Queere Menschen sind Teil der Arbeiter*innenklasse!
Nun ist dies aber nur eine Seite des Schicksals, das uns als queere Menschen im Kapitalismus ereilt. Nicht nur sind es queere Menschen und FLINTA, die überproportional Sorgearbeit verrichten, queere Menschen haben auch einen besonders hohen Bedarf nach Sorgearbeit. Das liegt daran, dass Queersein in unserer Gesellschaft immernoch mit tagtäglicher Diskriminierung verbunden ist. Es ist kein Zufall, dass die Suizidrate unter queeren Menschen rund 5fach höher ist, als unter nicht-queeren Menschen.
Auch Lohnarbeitsplätze gehören zu Orten, an denen Diskriminierung allgegenwärtig ist. 31 Prozent der arbeitenden queeren Personen sind am Arbeitsplatz ungeoutet. Das Outing wird zudem häufig als Pflicht verstanden, die queere Menschen dem Rest schuldig wären.
Dabei sollten Menschen eigentlich die Freiheit haben sich zu outen oder sich nicht zu outen und das ohne Angst!
Diese Last wird gesellschaftlich von queeren Menschen getragen, was viel Kraft und Energie raubt. Aufgrund von Diskriminerung haben queere Personen weniger Zugänge zum Arbeitsmarkt!
Es geht mir darum zu betonen, dass sie konstant mit symbolischen und tatsächlichen Ausschlüssen konfrontiert sind. Sie bekommen täglich vermittelt, dass sie als “anders”, als “nicht Teil” der Mehrheitsgesellschaft gebranntmarkt werden. Auch hier heißt es erneut Stress, Druck und Anstrengung. Queere Menschen brauchen aufgrund unserer intoleranten Gesellschaft deutlich mehr Sorgearbeit für die Bewältigung ihres Alltags, als die Mehrheitsgesellschaft. Das ist ungerecht, das muss aufhören!
Queerfeminismus gehört also auf den Kampftag der Arbeiter*innenklasse. Queere Menschen Verrichten besonders viel Lohnarbeit unter schlechten Bedingungen, einen Großteil der unbezahlten Sorgearbeit und brauchen aufgrund von Diskriminierung eigentlich noch mehr Sorgearbeit. Queere Kämpfe gehen Hand in Hand mit Arbeitskämpfen. Wer von queeren Rechten spricht, darf Rechte von Arbeiter*innen nicht vergessen. Wer von sozialer Gerechtigkeit und von Arbeitskampf spricht, darf das Rückgrat der Arbeiter*innenklasse nicht vergessen, uns queere Menschen.
Nicht nur muss Sorgearbeit besser bezahlt werden, sie muss auch gerechter verteilt werden. Queere Menschen müssen die gleiche Behandlung erfahren, wie alle anderen auch. Bürokratische und rechtliche Hürden für queere Menschen gehören abgebaut und die Arbeitszeit gehört auf 30 Stunden verkürzt, damit alle genug Zeit für Sorge- und Reproduktionsarbeit haben. Mit diesen Worten, Kampf dem Patriarchat, Kampf dem Kapitalismus! Dankeschön!